Vorurteile über Nordzypern und was wirklich dahinter steckt

Auch ich habe mich damit beschäftigt, warum so einige Menschen Nordzypern etwas misstrauisch gegenüberstehen. Ich wollte es eigentlich mit meinen eigenen Worten erklären, dann habe ich diesen Beitrag aus dem Buch (siehe unten) entdeckt und kann es einfach nicht besser formulieren 😊

„Nordzypern sieht sich sehr vielen Vorurteilen ausgesetzt, was wohl auch damit zusammen hängt, dass es sich als „türkische Republik“ bezeichnet. In den Köpfen vieler Menschen spukt bei dieser Bezeichnung sofort der Islam herum, die Türkei oder eine Kultur, mit der sie glauben, nichts anfangen zu können. Nicht zuletzt bietet diese Bezeichnung wohl auch die Grundlage dafür, dass man gern meint und sagt, Nordzypern gehöre zur Türkei. Um auch gleich damit aufzuräumen: Nordzypern gehört nicht zur Türkei. Es gibt insgesamt 14 „türkische Republiken“ auf dieser Welt (z.B. Kirgisien, Usbekistan und Kasachstan) und diese Bezeichnung deutet ausschließlich auf die Staatsform hin. Nämlich eine parlamentarische Republik mit Ministerrat nach dem Vorbild der Türkei und dem Entwurf deren Staatsgründers.

So wie die „Bundesrepublik“ im Zusammenhang mit der Bezeichnung Deutschlands auf die Staatsform (nämlich ein Staat, der sich aus einzelnen Bundesstaaten mit eigenen Verfassungen zusammen setzt) hinweist, sagt „türkische Republik“ nichts anderes aus, als dass es ein Parlament geben muss, einen Ministerrat unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten und eine unabhängige Justiz – Eine Staatsform nach dem Vorbild, wie sie der Gründer der Türkei entworfen hat. Hieraus abzuleiten, dass Nordzypern ein Teil der Türkei ist, ist absolut falsch, selbst wenn die Türkei der Garantiestaat Nordzyperns ist.

Ebenso aus dieser Bezeichnung herzuleiten, dass Nordzypern deshalb ein islamisches Land ist, ist vollkommen falsch. Zwar mag der Islam (wozu wir später noch kommen) auf Nordzypern stark verbreitet sein, jedoch weist die Staatsform „türkische Republik“ eben gerade auch darauf hin, dass eine strikte Trennung von Staat und Religion vorhanden sein muss, denn das ist in der Verfassung einer türkischen Republik verankert. Anders ist das hingegen bei „islamischen Republiken“, wie z.B. der Iran eine ist. Denn die Staatsform „islamische Republik“ legt auch gleichzeitig die Staatsreligion fest (das gibt es nicht nur bei islamischen Staaten, sondern auch bei Israel, wo das Judentum als Staatsreligion in der Verfassung steht – Jeder Jude ist automatisch Israeli, aber nicht jeder Israeli Jude).

Auch das nächste Vorurteil, das man im Zusammenhang mit Nordzypern immer wieder gern hören kann, macht es noch einmal notwendig, etwas in dieser Materie zu verbleiben. Denn nur allzu oft wird gesagt, dass Nordzypern ein Satellitenstaat der Türkei sei.

Der Ursprung dieses Vorurteils liegt, wie eben schon beschrieben, auch im Namen von Nordzypern verwurzelt, hat aber zudem noch andere Gründe, die für die Anhänger dieses Vorurteils ein Hinweis darauf sind, dass das Vorurteil ja stimmen „muss“. Zunächst ist es richtig, dass Nordzypern als erste Amtssprache Türkisch verwendet und erst als zweite Englisch. Dies liegt vor allem daran, dass aus der Geschichte dieser Insel die Bevölkerung zunächst aus den arabischen Teilen der Welt kam und dann das Türkisch übernommen wurde. Dennoch gehört damit Nordzypern nicht automatisch zur Türkei. So würde auch niemand von Ihnen sagen, dass Brasilien ein Teil Portugals ist, nur weil dort Portugiesisch die offizielle Amtssprache ist.

Durch den Status der Türkei als „Garantiestaat“ Nordzyperns ist es auch richtig, dass in Nordzypern Teile des türkischen Militärs stationiert sind, auch wenn diese Präsenz tatsächlich derart zurückhaltend ist, dass man nur selten Soldaten in Uniform sehen wird. Durch den historisch schon einige Jahrzehnte zurück liegenden Konflikt mit dem Süden Zyperns ist Nordzypern wirtschaftlich darauf angewiesen, Export und Importgeschäfte über den nahe liegenden türkischen Seehafen Mersin abzuwickeln, weshalb Nordzypern auch eine Sonderwirtschaftszone der Türkei ist, um diesen Handel zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Dennoch, trotz diesen wirtschaftlichen Status, ist Nordzypern selbst durchaus selbst- und eigenständig. Es finden regelmäßig Wahlen nach den Kriterien der OSZE statt und die dort lebenden Bürger haben die Möglichkeit, sich frei und geheim daran zu beteiligen. Es ist kein Geheimnis, dass die Türkei als quasi „engster Freund“ Nordzyperns hin und wieder laut sagt, mit welchem Präsidenten oder Minister man gern zusammen arbeiten würde, aber dennoch findet eine aktive Einmischung in Wahlen nicht statt und auch das Ergebnis dieser freien Wahlen wird stets akzeptiert und respektiert.

Nun könnten Kritiker Nordzyperns einwerfen, dass dieses Land ja international nicht anerkannt sei und ja, dieser Status ist tatsächlich offenkundig richtig. Nordzypern selbst bemühte sich seit seiner Gründung auch nie um eine internationale Anerkennung, sondern war seit jeher bestrebt, die Lösung der Zypernfrage in der Form herbei zu sehnen, als föderaler Teilstaat in einem geeinten Staat zu gelten; quasi als Bundesstaat in einer Föderation.

Bis zur Lösung dieser Frage, betrachtet sich Nordzypern als unabhängig und erfüllt als Land zudem die Vorraussetzungen der so genannten „Montevideo Konvention“, die für Staaten zwingend notwendig ist, um als solcher zu gelten: Nordzypern hat (1) eine ständige Bevölkerung, (2) ein klar definiertes Territorium, (3) eine Regierung und (4) die Fähigkeit, sich in Beziehungen mit anderen Staaten zu integrieren. Dass die Zypernfrage noch immer nicht beantwortet wurde, liegt wohl auch daran, dass lange Zeit kein wirkliches Interesse bestand.

Nun sprach vor einigen Jahrzehnten der noch andauernde „Kalte Krieg“ strategisch dagegen, diese Frage zu klären, dann änderte sich die weltpolitische Lage erneut drastisch und seither sind auch einige Versuche unternommen worden, die Lösung auf die Art herbei zu führen, die von beiden Seiten angestrebt ist. Im Jahr 2004 ist diese Lösung daran gescheitert, dass der Süden sich in einer Volksabstimmung dagegen entschied, im Jahr 2017 ist sie daran gescheitert, dass die Vertreter des Südens ihre Bedingungen, nachdem sie gesehen hatten, dass Nordzypern seinerseits alles erfüllen würde, was bislang erwartet wurde, erneut nach oben geschraubt haben.

Längst erkennen große Teile der Weltgemeinschaft Nordzypern an. Wenn auch nicht offiziell in dem Sinn, diplomatische Weihen zu erteilen, nicht zuletzt, um damit den noch immer andauernden Prozess der Gespräche für eine dauerhafte Lösung zu beeinflussen, so aber doch in dem Sinn, inzwischen normalisierte Beziehungen zu Nordzypern etabliert zu haben. Man kann Pauschalreisen nach Nordzypern buchen, es werden Handels- und Investitionsgeschäfte mit Nordzypern und auf Nordzypern getätigt – so finden zahlreiche Förderungen der europäischen Union direkt und ohne Umwege auf Nordzypern statt, wie die Errichtung des „Lapta Walkways“ oder die aufwändige Restaurierung einiger historischer Stätten in Salamis, um nur zwei Projekte zu nennen, die von der EU direkt gefördert wurden- und Nordzypern hat in zahlreichen internationalen Gremien einen Sitz, wie z.B. in der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) oder der Europäischen Wirtschaftsorganisation (ECO), um nur zwei zu nennen.

Daneben haben auch zahlreiche Länder, wie Deutschland, Italien, Amerika oder England, konsularische Vertretungen in Nordzypern und bieten dort jenen Service an, den man auch von Botschaften kennt. Der Grund, dass es sich nicht um offizielle „diplomatische“ Vertretungen, sondern nur um „konsularische Büros“ handelt, liegt darin, dass bei Erstgenannten die amtliche Anerkennung und diplomatische Souveränität de facto erteilt wäre.

Seit 2004 ist die Grenze zwischen Süd und Nord in Zypern für Europäer quasi vollständig durchlässig und auf Nordzypern werden zudem zahlreiche EU-Bestimmungen aktiv umgesetzt, die zwar nicht belegen, dass sich Nordzypern nun automatisch Brüssel unterordnet, jedoch dafür auf eine aktive Angleichung der Rechte mit europäischen Vorschriften hinarbeitet.

Noch immer zu behaupten, Nordzypern seit ein nicht anerkannter Staat, mag unter Umständen zu Applaus von den rechts-nationalistischen Parteien in Südzypern oder Griechenland führen, ist aber faktisch so gut wie überholt. In diesem Atemzug oftmals zu hören sind auch solche Sätze wie „Nordzypern ist ja eine Diktatur“ oder „Das ist ein unsicheres Land“ – Beides Sätze, die falscher nicht sein könnten. Nordzypern verfügt über ein stabiles, demokratisches System, welches durch regelmäßige, freie und geheime Wahlen immer wieder unter Beweis gestellt wird. Dabei werden nicht nur alle Kriterien der OSZE vollumfänglich erfüllt, an Wahltagen kann man außerdem auf Nordzypern eine weitere Besonderheit feststellen: Geht man an diesen Tagen in eines der Restaurants, so wird man feststellen, dass bis zur Schließung der Wahllokale der Ausschank von alkoholischen Getränken untersagt ist. Nicht zuletzt, um unentschlossene Wähler vor einer Beeinflussung durch Dritte unter Alkoholeinfluss zu schützen. Ein Verbot, das übrigens streng überwacht wird.

Was die Sicherheit auf Nordzypern angeht, so darf man das Vorurteil, wonach es dort alles andere als sicher zugeht, getrost ins Reich der Märchen abtun. In Nordzypern existiert so gut wie keine Gewaltkriminalität. Auch wenn Nordzypern durch seinen speziellen Status nicht wirklich von den internationalen Statistiken erfasst wird, so kann man dieses Land sehr wohl als „Musterknaben“ in Sachen Sicherheit bezeichnen. Nicht zuletzt mit ein Grund, weshalb sich mehr und mehr Menschen in den vergangenen Jahren dafür entschieden haben, ihren Ruhestand auf dieser Insel verleben zu wollen. Ist nun Nordzypern ein islamisches Land, wie es so gern behauptet wird? Ein zugegeben sehr hartnäckiges und mit vielen Emotionen belegtes Vorurteil ist, dass Nordzypern ein islamisches Land wäre. Nicht zuletzt, weil diese Bezeichnung nur allzu gern mit persönlichem Unbehagen assoziiert ist, man denke nur an die Medienberichte über sogenannte „islamische Länder“ und welche Gefahren dort drohen können. Nun, sicher ist die Zahl der Muslime in Nordzypern, schon allein aus der historischen Entwicklung dieses Inselteils heraus, sehr hoch.

Doch im Gegensatz zu vielen anderen „islamischen Ländern“ gibt es gerade in Nordzypern in dieser Hinsicht ganz klare Eigenheiten. Religion und persönlicher Glauben ist in Nordzypern grundsätzlich Privatsache. Weder wird der Glauben hin nach außen „offensiv“ gelebt und zelebriert, noch muss damit gerechnet werden, als „Andersgläubiger“ eventuell nicht dazu zu gehören oder benachteiligt zu werden.

Es gibt in Nordzypern Moscheen, christliche Kirchen, jüdische Synagogen, buddhistische Tempel und und und…. Jede Glaubensrichtung trifft man an, jeder Glauben darf frei gelebt und praktiziert werden. Es herrscht eine Toleranz, ohne die es wohl nicht möglich wäre, auf dieser relativ kleinen Fläche Land Menschen aus über 90 Nationen mit ihren ganz eigenen Glauben, Ritualen oder Eigenheiten zu beherbergen. Im täglichen Miteinander spielt die Religion nahezu gar keine Rolle und auch wenn Nordzypern seine Feiertage nach dem islamischen Kalender festlegt, so wird ebenso gut das christliche Weihnachten oder das jüdische Pessachfest gefeiert. Gerade um die Weihnachtszeit schmücken zahlreiche große Hotel und Restaurants ihre Fassaden mit bunten und leuchtenden Weihnachtssymbolen, es finden die traditionellen Weihnachtessen statt oder sogar die Städte schmücken die öffentlichen Plätze weihnachtlich. In anderen islamischen Ländern eigentlich undenkbar und ein Zeichen dafür, das Nordzypern sich weltoffen und beispielhaft tolerant zeigt.

 

Ebenfalls hartnäckig hält sich die Aussage, dass Nordzypern nicht Mitglied der Europäischen Union ist und ja, hier muss man zunächst dieser Aussage zustimmen. Aber es gibt kleine Feinheiten diesbezüglich, die man dennoch wissen sollte, bevor man mit in diesen Kanon einstimmt. Denn rein faktisch ist Nordzypern Mitglied der Europäischen Union, da im Jahre 2004 die gesamte Insel in die Union aufgenommen wurde und die Unionsgemeinschaft von der Unteilbarkeit der Insel ausgeht. Man ist dennoch nicht so ignorant und verkennt die Wahrheiten, sondern erkennt den Sonderstatus des Nordens gemeinhin an und dass dieser seine eigene, selbstständige Verwaltung hat. Somit sind die Verwaltung Nordzyperns und die dortigen Behörden selbst kein Mitglied der EU und unterliegen nicht den geltenden EU Bestimmungen, aber dennoch genießen Unionsbürger all jene Freiheiten, die sie auch aus anderen EU Ländern kennen. Dazu gehört eben auch die Freizügigkeit, sich hier nieder zu lassen oder auch einer Beschäftigung nachzugehen. In den vergangenen Jahren hat Nordzypern zudem das eigene Rechtssystem und die Vorschriften schrittweise an die Regelungen der EU angepasst, sodass heute nur noch marginale Unterschiede in dieser Hinsicht zu finden sind.“

Abraham, M. A. „Sorgenfrei unter Palmen: Auswandern nach Nordzypern“ (German Edition) (S.31-33)